Pfalz RHEINPFALZ Plus Artikel Gewalt gegen Obdachlose: Schutzlose Leben

Das Leben auf der Straße ist eines, das permanent in der Öffentlichkeit stattfindet – ohne die Möglichkeit auf Privatsphäre. Und
Das Leben auf der Straße ist eines, das permanent in der Öffentlichkeit stattfindet – ohne die Möglichkeit auf Privatsphäre. Und es ist eines, das die Obdachlosen verletzlich für Gewalttaten macht.

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Übergriffe gegen Wohnungslose sind gerade wieder in den Schlagzeilen – beispielsweise wegen der Tötung eines 31-jährigen Wohnsitzlosen in Dortmund. Die Angst vor Gewalttaten ist beim Leben auf der Straße allerdings allgegenwärtig.

Zum Thema „Gewalt gegen Obdachlose“ könnte man nun beispielsweise Heiner* (*Name geändert) fragen. Dessen Schlafsack und Kleidung hat irgendwer vor zwei Jahren mit Terpentin übergossen, da hat er irgendwo in den Rheinauen Platte gemacht und geschlafen. Und als er dann am nächsten Morgen in die Stadt gekommen ist, an die „Soziale Anlaufstelle Speyer“, die sich um Obdach- und Wohnsitzlose kümmert, da war er mit den Nerven am Ende. Stefan Wagner, der Gründer der Einrichtung, erinnert sich daran.

Vielleicht wollte da jemand einen außerordentlich schlechten Scherz machen oder Heiner von seiner Schlafstätte vertreiben. Vielleicht war die Geschichte wesentlich ernster, und jemand stand in der Tat kurz davor, den schlafenden Heiner anzuzünden, versuchte Tötung also, irgendwo im Rheinauenidyll. Vielleicht also könnte Heiner also etwas dazu sagen, aber Heiner kann nichts mehr sagen: Am 31. Dezember ist er gestorben, Grippe und dann eine Herzmuskelentzündung, sagt Wagner.

Heiner war ein Guter, sagt René, der ab diesem Vormittag vor der „Anlaufstelle“ seinen Kaffee trinkt, selbst seit über zwölf Jahren obdachlos, René. „Wir haben uns immer gegenseitig geholfen“, sagt er. Heiner also ist mit 61 Jahren gestorben, am Leben im Freien – und deswegen kann er seine Geschichte nicht mehr erzählen, eine Geschichte, die wie jedes Leben einzigartig und doch irgendwie symptomatisch ist.

Gewalt gegen Obdachlose, die ganz alltägliche und die ganz abgründige, die macht gerade wieder bundesweit Schlagzeilen: Anlässlich der Tötung eines Obdachlosen am Dortmunder Hafen beispielsweise, ein 13-Jähriger ist dort tatverdächtig, einen 31-Jährigen erstochen zu haben. Das Thema hat es schon Ende vergangenen Jahres unter anderem ins nordrhein-westfälische Landesparlament geschafft, anlässlich der Tötung eines 47-jährigen Obdachlosen durch drei Jugendliche, die ihre Tat anschließend auch noch im Internet dokumentiert hatten.

Unter „Hasskriminalität“ erfasst die Kriminalstatistik solche Delikte seit Anfang der 2000er-Jahre. Ein durchaus schwer zu definierender Begriff, müsste man für die korrekte Zuordnung doch die genaue Motivation der Täter kennen und bewerten können – und letztendlich die Frage beantworten, warum sich Menschen ausgerechnet an Obdachlosen, also den Schwächsten der Gesellschaft, vergreifen.

Ausgegrenzt: Arbeitslose, Geflüchtete, Obdachlose

Die Stadt München bemüht sich seit Jahren, eben jenes Dunkelfeld mit Studien genauer zu beleuchten. „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, so der etwas präzisere Ausdruck, richtet sich demnach vor allem gegen sozioökonomisch Schwache und Verwundbare. Von den Befragten am stärksten abgewertet und vorurteilsbehaftet: Langzeitarbeitslose, Geflüchtete und Obdachlose. Schlagen jene Vorurteile in Hasskriminalität um, dann sind rund 80 Prozent der Täter männlich – und die überwiegende Mehrzahl der Täter kennt ihre Opfer nicht persönlich, was laut Studien den Vorurteilscharakter der Taten betont. Und wahrscheinlich auf einen weiteren Grund verweist, warum gerade Obdachlose leicht zum Ziel von Angriffen werden: ihr Leben im Freien ohne sichere Rückzugsmöglichkeit.

Obdachlose seien „vermeintlich leichte und leider in den Augen vieler rechtlose Opfer, an denen sich Täter häufig abreagieren“, sagt Paul Neupert von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Menschen, die auf der Straße leben, seien „permanent im öffentlichen Raum“ und die Gefahren dort „omnipräsent“. Die Bundesarbeitsgemeinschaft dokumentiert die Gewalt gegen Wohnungslose in Deutschland. Seit 1989 sind demnach 291 Obdachlose durch nicht-wohnungslose oder unbekannte Täter getötet worden, 355 durch andere Wohnungslose. Hinzu kommen mehr als 2400 nicht-tödliche aber oftmals äußerst brutale Angriffe. Was allerdings nur einen „ganz kleinen Ausschnitt“ der Gewalt darstelle, meint Neupert: Die Erfassung fußt auf Presseberichten. Was also an Taten nicht polizeilich verfolgt wird und über Polizeimeldungen in den Medien landet, findet auch keinen Eingang in die Statistik.

Schaut man sich die Deutschlandkarte an, auf der die Tötungsdelikte verortet werden (sie findet sich im Internet hier), dann fällt eine Häufung im Ruhrgebiet und in Berlin auf, über die Gründe dafür kann auch Neupert nur spekulieren. Die örtliche Verdichtung von Obdachlosigkeit spielt dabei wohl eine Rolle, zudem ein Faktor, den René, der Obdachlose aus Speyer, bündig so zusammenfasst: „In der Stadt drin ist es scheiße“ für Obdachlose – hohe Frequenz an Passanten, vergleichsweise wenig sichere Rückzugsmöglichkeiten.

Mit Stahlkugel beschossen

Heiner hat eigentlich immer in der Natur Platte gemacht, in der Nähe von Schifferstadt beispielsweise oder in den Rheinauen. Auch dort gab’s in der Vergangenheit schon Übergriffe, jemand hat dort mit Stahlkugeln geschossen, dergleichen wird wohl nie in irgendeiner Statistik landen. Stefan Wagner von der Sozialen Anlaufstelle ist da allerdings eine vorzügliche Informationsquelle: Seit 15 Jahren macht er Wohnungslosenhilfe, ehrenamtlich. Die Anlaufstelle befindet sich im ehemaligen Kiosk auf dem Speyerer Festplatz, es gibt dort Lebensmittelausgabe, Duschmöglichkeiten, Kleiderkammer und ganz grundsätzlich: sozialen Kontakt (ein Ortstermin dort findet sich hier: Obdachlos in der Pandemie: Mäßig frohes Fest).

Heiner war eine auffallende Erscheinung dort, vor zwei Jahren hat sich der Autor dieser Zeilen mit ihm unterhalten: Outdoortauglich gekleidet, hervorragend organisiert auf seinem Rad mit Anhänger, vom Habitus hat er eigentlich eher wie ein Radwanderer gewirkt.

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