Meinung Asylpolitik: Bezahlkarte wird nicht wie erhofft wirken

Mit hohen Erwartungen aufgeladen: Bezahlkarte für Asylbewerber.
Mit hohen Erwartungen aufgeladen: Bezahlkarte für Asylbewerber.

Um ein kleines Stück Plastik wird gerade viel Gewese gemacht. Doch die Bezahlkarte sollte nicht mit zu hohen Erwartungen aufgeladen werden. Sie ist nur eine kleine Stellschraube in der Flüchtlingspolitik.

Demnächst wird eine Welle der Ernüchterung um die Welt gehen. Kaum jemand wird sich noch auf den beschwerlichen Weg machen in der Hoffnung auf ein besseres Leben im gelobten Deutschland – denn dort kriegt man dann ja nur noch die Bezahlkarte. Ein unrealistisches Szenario? Selbstverständlich! Dennoch wird gerade ein Stück Plastik herbeigesehnt, als wären damit endlich die – in der Tat existierenden und vielfältigen – Probleme im Zusammenhang mit Migration zu lösen. Leider wiederholt sich dieses Muster regelmäßig in der politischen Debatte; man denke an Vorschläge zur Auslagerung von Asylverfahren oder Ansagen, es müsse jetzt mehr abgeschoben werden – beides rechtlich äußerst schwierig umzusetzen. Und so einfach ist die Einführung der Karte in der Praxis auch nicht, wie sich gerade zeigt.

Sicher kann es vorteilhaft für die Verwaltungen vor Ort sein, regelmäßig Geldkarten aufzuladen, statt Migranten Barbeträge auszuzahlen. Wenn es jedoch nur um weniger Bürokratieaufwand ginge, müsste nicht so viel Aufhebens darum gemacht werden.

Plastikgeld als Gängelung

Übertrieben ist die Kritik etwa von Flüchtlingsorganisationen, es würde die Betroffenen stigmatisieren, wenn sie in Geschäften die Karte zücken müssen. Denn das ist nicht der Punkt. Die vorgesehenen Einschränkungen, was mit dem Plastikgeld bezahlt und wo es benutzt werden darf, sollen Menschen vielmehr ganz bewusst gängeln. Als Signal an zwei Adressaten: zum einen an die eigenen Bürger, dass der Staat nicht mit Wohltaten um sich wirft; zum anderen als Abschreckung an alle potenziellen Flüchtlinge, dass sie hier kein Schlaraffenland erwartet. Ein durchdachter Politikansatz ist das aber nicht, die Wirkung ist zweifelhaft.

Als zentrales Argument für die Karte wird häufig angeführt, es solle vermieden werden, dass Geld an die Familie in der Heimat überwiesen oder gar an Schlepper für ihre Dienste weitergereicht wird. Belege, dass es in beiden Fällen um nennenswerte Beträge geht, gibt es indes nicht. Wie sollten Asylbewerber die auch zusammenkratzen?

Sozialleistungen kein Pull-Faktor

Hinzu kommt: Forscher bezweifeln, dass mögliche Sozialleistungen überhaupt eine große Rolle spielen als einer der berüchtigten Pull-Faktoren bei der Migration – dass sich Menschen also genau deswegen auf den Weg machen. Die Aussicht, in Sicherheit zu leben und sich etwas Wohlstand selbst erarbeiten zu können, ist wohl entscheidender. Hier wird Deutschland mit oder ohne Geldkarte attraktiv bleiben im Vergleich zu den Herkunftsländern.

Nach innen ist der symbolische Charakter dieser Maßnahme offenkundig. Die Bundes- und die Landesregierungen können darauf verweisen, dass ja etwas unternommen wird zur vehement geforderten besseren Kontrolle der Migration. Das ist wichtig, ohne Frage. Aber wesentliche Fakten sollten nicht ausgeblendet werden. Im konkreten Fall: Die Bezahlkarte ist höchstens ein Stellschräubchen.

Wir sollten langsam gelernt haben, dass es für den Umgang mit globalen Flüchtlingsbewegungen keine simplen Rezepte gibt. Statt das den Bürgern gut zu erklären und um Verständnis für die komplexen Prozesse zu werben, werden immer wieder aufs Neue übertrieben hohe Erwartungen geweckt – und zwangsläufig enttäuscht.

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